Neues CO2-Gesetz: Volkswille vom 18. Juni respektieren!

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Neues CO2-Gesetz: Volkswille vom 18. Juni respektieren!

Am 25. September berät der Ständerat die Revision des CO2-Gesetzes für die Jahre 2025 bis 2030. Damit entscheidet er auch darüber, ob er den Volksentscheid zum Klimaschutz-Gesetz vom 18. Juni ernst nimmt oder nicht.

Am 18. Juni 2023 haben 59,1 Prozent der Abstimmenden Ja gesagt zum neuen Klimaschutz-Gesetz (KlG). Ein Vierteljahr später ist das Parlament, das das KlG ausgearbeitet hat, drauf und dran, gegen dessen Geist zu entscheiden.

Auf den ersten Blick haben die aktuelle Revision des CO2-Gesetzes und das Klimaschutz-Gesetz nicht unmittelbar miteinander zu tun: Erstere setzt Klimaziele bis 2030, letzteres solche ab 2031. Aber von den Klimazielen, die das Parlament jetzt setzt, hängt ab, ob die Ziele des Klimaschutz-Gesetzes so wie beabsichtigt überhaupt erreicht werden können.

Die Schweiz muss ihre Emissionen bis 2030 (gemessen am Stand von 1990) halbieren: So hat sie es international zugesichert und diesem Zweck soll die neue Revision des CO2-Gesetzes dienen. Allerdings klingt «halbieren» besser, als es ist: Tatsächlich wird die Schweiz ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2030 deutlich weniger als 50 Prozent senken und den Fehlbetrag durch den Kauf von CO2-Zertifikaten im Ausland «kompensieren».

Das wird einer der grossen Streitpunkte im Parlament sein: Wieviel reduzieren wir tatsächlich? Die Mehrheit der vorberatenden Kommission möchte das dem Bundesrat überlassen, eine Minderheit um Otto Reichmuth (Die Mitte) will, dass mindestens drei Viertel des Reduktionsziels durch tatsächliche Reduktionen im Inland erreicht werden. Folgt der Ständerat seiner Kommission und bestätigt dies der Nationalrat, würde das darauf hinauslaufen, dass die Schweiz weniger als die Hälfte ihrer buchhalterischen Reduktion der Jahre 2025 bis 2030 durch tatsächliche Reduktionen erreicht. 

Ziele könnten unerreichbar werden

Über die mangelhafte Qualität der so genannten CO2-Kompensationen ist in den letzten Monaten viel berichtet worden. Aber selbst wenn der CO2-Handel hielte, was er verspricht, würde das Kompensieren gegen den Geist des am 18. Juni angenommenen Klimaschutz-Gesetzes verstossen. 

Das KlG verlangt nämlich, dass seine Emissionsziele in erster Linie durch tatsächliche Emissionsreduktionen erreicht werden (Art. 3 Abs. 1 Bst. a). Das ist folgerichtig, weil ungewiss ist, ob man nach 2030 überhaupt noch wird kompensieren können: Wenn nämlich alle Länder ihre Emissionen auf netto null senken müssen, wird es früher oder später schlicht kein Land mehr geben, das Emissionsreduktionen der Schweiz verkaufen kann. Der Zertifikatemarkt ist darauf angelegt, zu verschwinden. 

Das KlG lässt das «Kompensieren» zwar noch zu – aber nur, soweit es anders nicht möglich ist (Art. 3 Abs. 4). Wenn nun das Parlament im neuen CO2-Gesetz die Inlandziele bis 2030 so wenig ambitioniert setzt, wie es die Kommissionsmehrheit will, wird man nach 2030 die Ziele des Klimaschutzgesetzes kaum mehr im Inland erreichen können und erneut auf «Kompensationen» zurückgreifen müssen. 

Das KlG legt für das kommende Jahrzehnt zwei Ziele fest (immer im Vergleich zu 1990): 

  • minus 75 Prozent bis 2040
  • minus 64 Prozent im Durchschnitt des Jahrzehnts. 

Die Rechnung ist simpel: Je höher die Emissionen im Jahr 2030 noch sind, desto steiler müssen sie danach fallen, damit die Ziele des KlG so wie beabsichtigt im Inland erreicht werden (vgl. Grafik). 

Die drei Kurven nach 2030 erfüllen die Ziele des KlG im Inland. Je höher die Emissionen 2030 liegen, desto steiler muss die Kurve im Jahr 2031 fallen.

Wenn die Emissionen 2030 bei 50% lägen – wenn die Schweiz die Ziele des neuen CO2-Gesetzes also vollständig durch echte Reduktionen erreichte und nicht mit Auslandskompensationen –, dann liessen sich die Ziele des KlG anschliessend gut erreichen. Werden aber die Emissionen nur so wenig reduziert, wie es die Kommissionsmehrheit will, bräuchte es allein im Jahr 2031 eine Reduktion um mehr als zehn Prozent, damit sich KlG-Ziele im Inland erreichen liessen.

Heuchlerische Rhetorik

Die Befürworter des «Kompensierens» anerkennen grundsätzlich, dass viele Kompensationsprojekte wenig taugen; dafür brauche es halt Qualitätsstandards. Das Kompensieren sei aber vorteilhaft, sagen die Fürsprecher:innen, weil es im Ausland pro Franken mehr CO2-Reduktion ermögliche. Das ist heuchlerisch, denn es geht der schweizerischen Klimapolitik nicht darum, mit gleich viel Geld mehr zu tun – sondern darum, billiger gleich viel zu tun. 

Kein anderes Land setzt bei der Reduktion seiner Emissionen so sehr auf Auslandskopmensationen wie die Schweiz. Die EU will ihre Emissionen bis 2030 ohne «Kompensationen» um 55% reduzieren. Das Klimaschutz-Gesetz will, dass auch die Schweiz ihre Reduktionsversprechen ab 2031 «soweit möglich» durch tatsächliche Reduktionen erzielt. 

Das Parlament muss jetzt die Weichen stellen, dass dies dann auch möglich sein wird. Es muss der Minderheit Reichmuth zustimmen, damit wir eine Chance haben, die Ziele des Klimaschutz-Gesetzes zu erreichen.

Nachtrag am 26.9.2023: Unterdessen hat der Ständerat getagt. Den Antrag, einen Inland-Anteil am Emissionsziel ins Gesetz zu schreiben, hat er abgelehnt – mit 22:20 Stimmen allerdings knapp. Da muss der Nationalrat korrigieren! Der Ständerat hat aber noch weitere Abschwächungen vorgenommen – jeweils gegen die eigene Kommissionsmehrheit: Das Emissionsziel für Neuwagen soll ab 2030 minus 55 Prozent (statt minus 75%) betragen und von der CO2-Abgabe soll nur ein Drittel (statt «weniger als die Hälfte») zweckgebunden für das Gebäudeprogramm und die Förderung klimaverträglicher Technologien verwendet werden. Chancenlos war eine Luftverkehrs-Lenkungsabgabe. – Nun geht das Geschäft an den Nationalrat.

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